Gemeindebrief September / Oktober 2025
Gott ist unsere Zuversicht und Stärke.
Psalm 46, 2
Monatsspruch September 2025
„Gott ist unsere Zuversicht und Stärke.“
Ob Sie diesen Satz aus vollem Herzen sagen können? Zugegeben, mir fällt das schwer.
Es kommt mir vor, als müsse man das eine oder andere Wunder erlebt haben, das lange nachwirkt. Oder als habe sich die Erfahrung, dass Gott es gut ausgehen lässt, verdichtet zu einem verlässlichen Boden. Nun, im Rückblick und in Sicherheit ruft einer dieses Fazit anderen zu.
Ob es so ist?
Ich werde neugierig, wie das Psalmwort weitergeht. Wenn Sie Lust haben auf ein kleines Experiment, dann schreiben Sie doch mal auf, was Sie vermuten. Setzen Sie den Psalm mit eigenen Worten fort, bevor Sie umblättern und weiterlesen. So setzt der
Psalmbeter den Satz fort:
Gott ist unsere Zuversicht und Stärke...
...eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.
Darum fürchten wir uns nicht,
wenngleich die Welt unterginge
und die Berge ins Meer sänken,
wenngleich das Meer wütete und wallte
und von seinem Ungestüm die Berge einfielen.SELA
Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben – mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind.
Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie fest bleiben; Gott hilft ihr am frühen Morgen.
Das klingt wenig triumphal oder abgehoben. Ganz anders, als ich erwartet hätte. Wer immer diese Verse geschrieben hat, er ist nicht in einer sicheren Position, um anderen zu sagen, sie bräuchten doch keine Angst zu haben. Er ist mitten unter ihnen in „großen Nöten“. Die Lage scheint geradezu lebensbedrohlich zu sein. Und die Bilder, die beschrieben werden, kommen mir bekannt vor. Berge, die die ins Rutschen geraten, Wasser, die wüten und ganze Städte überschwemmen.
Und trotzdem wagt der Betende ein großes „Dennoch“:
Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben.
Wie bitte?, würde dich ihn gerne mal fragen! Lustig bleiben!? Im ersten Moment kommt mir das fast zynisch vor. Doch nach und nach stellen sich Bilder in mir dazu ein, die mich angerührt haben. Eine Hochzeit in Kyjiw, mitten im Krieg. Ein Mann trägt seine Braut, weiß weht ihr Schleier über Trümmern im Wind, Rosen leuchten hell vor dem düsteren Hintergrund.
Eine Trauerfeier, da gab es hinterher ein Glas Sekt. Unter Tränen wurde angestoßen auf das erfüllte Leben, das nun zu Ende war.
Menschen, die Apfelbäume pflanzen, nachdem sie bei einer Demonstration ihre Wut darüber herausgeschrien hatten, dass immer noch viel zu wenig gegen den Klimawandel geschieht.
Was für eine Trotzkraft steckt in solchen Momenten! Sie verkennt die Wirklichkeit nicht. Aber sie gesteht ihr nicht das letzte Wort zu. Sie hält eine Perspektive für möglich, die über das hinausreicht, was sich so absolut setzen will. Nicht aufgeben, der Hoffnung immer noch Platz einräumen. Das Leben bewundern, das sich in jeder Nische breit macht. Ausschau halten, wo Zuversicht wächst. Das Leben feiern - trotz allem.
Tina Willms aus „Im Spielraum des Guten“
neukirchner verlag
Gemeindebrief März / April 2025
Brannte nicht unser Herz
in uns, da er mit uns redete?
Lukas 24,31
Monatsspruch April 2025
In „ Im Spielraum des Guten“ von Tina Willms fand ich folgenden Text:
Unerkannt und doch nah
Trauerwege. Der Blick bleibt am Boden. Die Zeit fühlt sich an, als sei auch sie gestorben. Mechanisch läuft sie weiter, ein totes Gerät. Funktioniert, ohne lebendig zu sein.
Du gehst auf dem Weg, der unüberschaubar ist, und die Beine bewegen sich, als gehörten sie nicht zu dir.
Neben dir einer, der ähnlich fühlt. Die Luft zwischen euch schweigt und wiegt schwer. Wenn einer zu sprechen beginnt, ist die Stimme müde und mürb von enttäuschter Hoffnung. Stockend, stotternd verlassen die Worte den Mund, als ließe sich so auch die Trauer verlangsamen, um nicht fassen zu müssen, was nicht zu fassen ist.
Einer stößt dazu, geht nebenher. Du nimmst ihn kaum wahr mit deinem gesenkten Kopf. Bis er fragt: Wovon redet ihr? Was belastet euch?
Wie gut das tut, einer, der zuhört, wenn du die ganze Geschichte noch einmal erzählst. Die Spule dreht sich, der Film zeigt noch einmal, was war. Die Worte beginnen wieder zu fließen. Sie erzählen mit dem Vorzeichen „Vorbei“. Und du spürst, was du verloren hast. Und dann fließen auch die Tränen.
Du spürst, etwas ist anders. Spürst, ohne es deuten zu können. Und ihr geht weiter, mal redend mal schweigend, bis an das Ende des Weges.
Dann sitzt ihr am Tisch und er bricht das Brot. Er bricht es so, dass der Himmel nah kommt. Und da erkennst du:
ER, den ich tot glaubte, ging neben mir.
Und ist auch heute da, in jedem, der mitgeht auf Trauerwegen, Schritt für Schritt. Der das Schweigen verschiebt und sich die ganze Geschichte noch einmal erzählen lässt.
Der weite Weg will gegangen sein. Da erkennst du das Brennen noch nicht, spürst nicht den Luftzug, der den glimmenden Docht anfacht, beharrlich und sanft.
Bis ein Moment kommt, der dir die Augen öffnet. Bis das Brot in deinem Mund wieder nach Erde und Himmel schmeckt. Und du das Brennen fühlst, die Flamme, die dich lebendig macht.
Bis du beginnst, neu zu leben.
(Aus Tina Willms, Momente die dem Himmel gehören. Gedanken, Gedichte und Gebete für jedenTag.©2021 Neukirchener Verlagsgesellschaft, 2. Auflage 2022, S.400.)
Ihr/Euer Volker Sturm
Gemeindebrief Januar / Februar 2025
Prüft alles und behaltet das Gute!
1. Thessalonicher 5,21
Jahreslosung 2025
Gedanken von Tina Willms aus
„Im Spielraum des Guten“
Gottes neue Welt
In jedem Mensch ist beides, das Gute und das Böse. Niemand ist frei von Ambivalenzen, oder besser Multivalenzen. Vieles streitet in uns.
Aber: Wir können uns entscheiden. Vielleicht nicht immer, aber doch meistens. Es liegt bei uns, ob wir zu freundlichen Menschen werden.
Ich bin überzeugt davon, dass es in jeglicher Hinsicht besser ist, sich für das Gute zu entscheiden. Nicht nur, um der anderen Menschen und der Erde willen. Das sowieso. Aber auch für mich selber.
Hass mag kurzfristig belebend sein, aber er macht hässlich. Liebe hingegen beflügelt.
Einen Groll zu hegen, mag manchmal befriedigend sein, aber es verhärmt. Zu vergeben hingegen macht frei.
Böse zu sein, mag ja gelegentlich ein Rachegelüst besänftigen, aber es vergiftet das Leben.
Gutes zu pflegen hingegen ist heilsam. Diese Liste ließe sich endlos weiterführen.
Streit zermürbt, Frieden aber verbindet. Gemein zu sein, macht einsam. Freundlich zu sein, schafft Freund: innen.
Manchmal stelle ich mir vor, dass das Gericht Gottes darin bestehen wird, alles zu prüfen und das Gute zu behalten.
Aussortiert würde dann, was ein Mensch angerichtet hat. Hässliche Gedanken werden verworfen, böse Taten werden zunichte gemacht.
Bleiben darf, was wir an Gutem gestiftet haben. Jedes Lächeln, jede freundliche Tat, die kleinen und die großen:
Sie prägen Gottes neue Schöpfung.
Wäre es so, dann könnte ich jetzt schon arbeiten an dieser Welt, in der das Gute gewürdigt und ihm Ewigkeit verliehen wird.
In meinen Händen läge, was mein Leben schön werden lässt und was bleiben wird von mir.
©2024NeukirchenerVerlags-GmbH
Ihr/Euer Volker Sturm
Gemeindebrief November/Dezember 2024
Wir warten aber auf einen neuen Himmel und
eine neue Erde nach seiner Verheißung,
in denen Gerechtigkeit wohnt.
2. Petrus 3,13
Monatsspruch Nov. 2024
Warten! Warten? Das ist nicht meine Stärke. Ungeduld und Tatendrang stehen mir da im Weg. Schon gar nicht mag ich es, wenn aus warten ausweichendes Hinhalten und Verzögern oder gar Vertrösten auf irgendwann wird. Dann pack ich es doch lieber an und löse die Probleme selbst.
Seit Jahren und Jahrzehnten haben sie gewartet, die Christen der 1. und 2. Generation, an die der Apostel seinen 2. Brief schreibt. Die Naherwartung der Wiederkunft Jesu hatte sich nicht erfüllt. Und scheinbar hatten sie immer wieder auch laut und öffentlich davon gesprochen. „Der Herr Jesus kommt nun bald!“ Darüber waren sie nun regelrecht zum Gespött geworden.
„Was ist denn mit euren Weissagungen? Wo bleibt denn die große Prophezeiung?“ V.4 Wen wundert es, dass wir heutigen Christen nicht mehr so vollmundig reden, oder es vielleicht insgeheim, gar nicht mehr erwarten?!
Hier, am Ende des 2. Petrusbriefes wird uns unsere Erwartung deutlich korrigiert und zurecht gerückt! Es geht dabei nicht um Vertröstung auf ein besseres Leben hier auf dieser „Alten Erde“, oder gar dass wir durch unser menschliches Handeln diese Erde „zurechtrücken“ und hier und da „verbessern“ oder gerechter machen könnten! Aber wenn ich die Botschaft im 2. Petrusbrief richtig verstehe, erwartet der Apostel den „Ganzgroßen- Wurf.“ Diese „Alte Erde“ wird nicht als „gerechtigkeits-tauglich“ erfunden. Darum wird und muss sie vergehen und wird ersetzt. Die Elberfelder Bibelübersetzung schreibt: „Wir erwarten aber nach seiner Verheißung neue Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt!“
Am Ende - so meine ich – reicht eben unser menschliches Bemühen nicht aus, um diese Erde zu einem wirklich gerechten - Gott-rechten-Ort - zu machen. Denn Gerechtigkeit ohne Gott, ohne seine heilige Geisteskraft, bleibt bestenfalls sozialer Ausgleich oder mitmenschliches Verhalten.
Und ich meine, wir müssen uns nicht fürchten, vor dem was kommt und wie es kommt. Im Gegenteil unser WARTEN muss nicht ein Verharren in Untätigkeit sein, sondern ein sich Festmachen an der allzeit gültigen und tragfähigen Verheißung. Gott als Schöpfer und Vater aller Dinge wird dieser Welt nicht überdrüssig und müde. ER verheißt Zukunft und Leben und Gerechtigkeit und unvorstellbares Neues.
Hierdurch finden wir im Glauben die Kraft, das zu tun, wozu Jesus uns an ähnlicher Stelle auffordert:
„Wenn dies alles anfängt zu geschehen, so sehet auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ LK 21,28
Bleibt behütet und lasst uns gemeinsam festhalten an der Verheißung.
Ihr/Euer Volker Sturm
Gemeindebrief September/Oktober 2024
Der HERR heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden
Psalm 147, 3
Auf der Suche nach ein paar guten Gedanken für unseren Gemeindebrief, bin ich bei Silke Niemeyer in dem Heft: „Ein Weggeleit 2024“ fündig geworden. Es ist der „Monatsspruch“ für August – wir verlängern also etwas die „Sommerzeit.“
„How can you mend a broken heart?“
Wie kann man ein zerbrochenes Herz heilen? Das sangen die legendären Bee Gees 1971 mit herzzerreißendem Sound.
How can you mend a broken heart?
How can you stop the rain from falling down?
How can you stop the sun from shining?
What makes the world go round?
Ist es ein Selbstgespräch? Ist es eine Klage an die ganze Welt? Ist es eine Frage an den Therapeuten? Oder ist es ein Gebet? Wie auch immer, die Antwort ist schonungslos: Es ist so, als wollte man den Regen vom Fallen abhalten und die Sonne vom Scheinen. So fühlt es sich jedenfalls an, wenn einem das Herz bricht: Es wird nie wieder gut. Die Welt bleibt stehen. Das Leben verliert seinen Sinn. Es ist nicht nur eine Redensart, dass einem Menschen das Herz bricht. Das „Broken- Heart-Syndrom“, das Menschen in großem Kummer überwältigen kann, gleicht einem Herzinfarkt und kann in seiner akuten Phase in seltenen Fällen tödlich sein. Es heißt auf Ärztisch „Tako-Tsubo-Kardiomyopathie“, denn die japanischen Mediziner, die die typische Herzspitze entdeckten, dachten beim Anblick an eine Tintenfischfalle.
How can you mend a broken heart?
Will, wer so klagt, eigentlich eine Antwort? Klar, wenn ich mich mit Tako-Tsubo auf der Intensivstation befinde, dann bestimmt. Dann will ich eine kompetente Ärztin haben, die weiß, wie sie meinen Herzmuskel wieder hinkriegt. Aber ansonsten kann ich triviale Herzmonteure nicht leiden, die mir Rezepte geben, wie ich meinen Herzschmerz heile – mit Achtsamkeit, ohne die geht heutzutage gar nichts mehr, oder mit viel Bewegung, oder mit kleinen Glücksmomenten jeden Tag. Weiß ich, alles nicht verkehrt, hab ich tausendmal gehört. Das tausenderste Mal weckt nur meinen Zorn, der, verdammt nochmal die Würde des Kummers verteidigen will – die Liebe zu dem Menschen, den ich verloren habe, oder die Schönheit des Lebens, das hin ist. So einfach geht das nicht mit der Herzreparatur. Darf es gar nicht. Will ich auch nicht.
DER HERR heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.
Er zählt die Sterne und nennt sie alle mit Namen. Er sendet sein Wort, da schmilzt der Schnee; er lässt seinen Wind wehen, da taut es. Das ist auch aus einem Song, einem Psalm von Menschen, die Krieg und Vertreibung überlebt haben. Sie singen über sich selbst. Es ist gesungenes Vertrauen – ein Vertrauen, das vielleicht erst im Singen entsteht. Eine Antwort auf die Frage der Bee Gees? Eine zweite Strophe?
Der fast unmerkliche, aber entscheidende Wechsel ist der vom „how“ zum „who“, vom „wie“ zum „wer“: Gott heilt, wo Menschen nicht wissen, wie. Was für eine Befreiung vom anstrengenden Selbstheilungskrampf. Ich kann mein zerbrochenes Herz nicht heilen. Und ich muss es auch nicht. Ich ergebe mich dem Vertrauen:
Heilung kommt von Gott. Ich weiß nicht wie, aber sie kommt.
Silke Niemeyer
Ihr/Euer Volker Sturm
Gemeindebrief Juli/August 2024
Gott spricht:
Du sollst dich nicht derDu sollst dich nicht der
Mehrheit anschließen, wennMehrheit anschließen, wenn
sie im Unrecht ist!
2. Mose 23,2
Es könnte ja so schön sein, wenn wir Menschen nur mehr hören würden auf die Guten Worte und Gedanken Gottes!
Schön und friedsam , einfach und erfüllend wäre unser Leben, wenn wir die göttlichen Gedanken in die Tat umsetzten. Wenn, ja wenn... es nicht so verlockend wäre, sich der jeweiligen Volksmenge, der Mehrheit anzuschließen, auch dann, wenn sie auf dem Weg zum Bösen und schließlich zum Abgrund unterwegs ist.
Dieser Abschnitt der Bibel, aus dem unser Monatsspruch stammt, ist schon sehr alt. Er ist voll von lebensbejahenden und Leben fördernden Worten und Beispielen, wie unser Miteinander gelingen kann. Sie gipfeln darin, selbst dem Rind oder Esel meines Feindes zu helfen, ihn nicht im Stich zu lassen oder wegzusehen, wenn das Tier unter seiner Last zusammengebrochen ist. (V.4+5)
Gerade heute suchen viele „Volksverhetzer“ Mehrheiten für ihre Lügengebäude. Sie wollen gewählt werden, um aus Recht Unrecht und aus Lüge , ihre Wahrheit zu machen.
„Lauft nicht mit“, erklingt schon zur Zeit von Mose Gottes Warnung.
Wer offen darüber beratschlagt, wie man am effektivsten die Fremden, Farbigen, Andersgläubigen – oder was auch immer man am anderen als falsch ansieht – außer Landes schaffen kann – verdient deine Zu-Stimmung nicht. (V.9)
Bleibe aufrichtig, ehrlich; lass dich nicht bestechen und durch Geschenke blind machen und auf die falsche Seite ziehen – so ermahnt Gott seine Menschen. (V.8)
Kurzum noch einmal Vers 2: Folge nicht der Mehrheit, wenn sie im Unrecht ist! Musst du vor Gericht aussagen, sollst du nicht der Mehrheit nach dem Mund reden und so ein gerechtes Urteil verhindern.
Gott verhelfe uns erneut zum „aufrechten Gang“; ER schärfe unsere Sinne zur deutlichen Abgrenzung gegen jede Form von Lüge und Unrecht – zu einem tapferen Herzen, das der Wahrheit anhängt und selbst dem eigenen Feind und Widersacher, „Guteszu-tun“ im Stande ist.
Es ist schön, das Gute und Richtige zu tun und es ist klug, auf Gottes Ratschläge zu hören.
In diesem Sinne wünsche ich eine schöne Sommerzeit.
Ihr/Euer Volker Sturm
Gemeindebrief Mai / Juni 2024
Alles ist mir erlaubt,
aber nicht alles dient zum Guten.
Alles ist mir erlaubt,
aber nichts soll Macht haben über mich.
1. Korinther 6,12
In „ Ein Weggeleit 2024“ fand ich folgenden Text:
Alles ist mir erlaubt!
Wie genial ist das denn bitte?! Ein Freibrief für buchstäblich alles, für den ich mich sogar auf die Bibel berufen kann. Das Buch der Bücher ist sonst dafür bekannt, dass sich in ihm, zumindest auch, Gebote und klare ansagen finden lassen. Alles ist mir erlaubt? Da muss doch ein Haken dran sein, mit anderen Worten ein ABER folgen – uns so ist es auch.
Aber …das Aber fällt anders aus als erwartet. Im Nachsatz wird keine Ausnahme formuliert im Sinne von „Du darfst alles, außer...!“ Durch das Aber wird nicht einmal verboten zu tun, was nicht dem Guten dient. Und überhaupt sagt hier niemand Du und erlaubt oder verbietet mir etwas.
Das Aber setzt mich mit meiner Haltung und meinen Absichten in die Verantwortung. Ich muss absehen, ob das, was ich sage und tue, dem Guten dient. Ich muss entscheiden, ob ich frei bleibe oder mich in neue Abhängigkeiten begebe.
Diese Sätze des Apostels Paulus sind einfach kompliziert. Es ist total einfach: Alles ist mir erlaubt. Und es ist ziemlich kompliziert:
Ich muss prüfen, welches Ziel mein Handeln verfolgt und zudem noch die Folgen für mich und andere abwägen.
In Korinth ging es damals offenbar drunter und drüber. Und es herrschten sehr unterschiedliche Ansichten darüber, was richtig und falsch ist, erlaubt oder verboten. Vor allem schien überhaupt nicht klar zu sein, wer aus welcher Position heraus nach welchen Kriterien darüber entscheiden darf. Paulus findet deutliche Worte und setzt erneut den Maßstab, den er selbst gewonnen hat: Für Christenmenschen gilt das Gesetz der Freiheit, durch das wir uns der Liebe und Gerechtigkeit Gottes unterwerfen und nichts und niemand anderem.
Alles ist mir erlaubt!
Das kommt wie ein Satz auf einem Kühlschrankmagneten oder einer Spruchkarte daher. Beim Lesen weiß ich schon, dass da noch etwas kommt, spätestens im Kleingedruckten. Und richtig-es folgt die heilsame Überraschung. Der eigentliche Gewinn dieses Freibriefes ist die wunderbare Erkenntnis:
Es geht nicht ausschließlich um mich selbst!
Die wenigen Worte haben es in sich. Sie haben nämlich die Liebe in sich. Weil ich frei bin, achte ich die Grenzen meines Gegenübers. Es ist mir erlaubt, zu überlegen, ob das, was ich sagen will, die gute Sache voranbringen oder nur mich selbst in Szene setzen soll. Ich darf mich fragen, ob die Meinung anderer über mich oder mein Zielbild des persönlichen Erfolgs bestimmen dürfen, wie ich mich verhalte. Ich bin frei, zu überprüfen, ob meine Abwehr gegenüber Veränderungen, Unbekanntem, noch nicht Erprobten, anderen Ansichten gerechtfertigt ist oder meinem Kleinglauben entspringt.
Alles ist mir erlaubt!
Und weil ich frei bin und dem Guten dienen will, tue ich nicht alles, was erlaubt ist, sondern das, was ich aus Liebe um der Gerechtigkeit willen will! So einfach und unkompliziert will es sein.
Von Daniela Fricke (Ein Weggeleit 2024 – Männerarbeit im Institut für Kirche und Gesellschaft der EKvW)
Euer/Ihr Volker Sturm
Seite 1 von 9
